„Senile Bettflucht“

© picture alliance/dpa Themendienst

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Wer bereits morgens um halb fünf Kreuzworträtsel löst oder sein Bad putzt, hat meist ein Schlafproblem. Ist er zudem noch alt, ist die Diagnose schnell gestellt: Er leidet an „seniler Bettflucht“– zumindest nennt es der Volksmund so.

Das kleine Wörtchen „senil“ (lat. senilis „greisenhaft“, „alt“) deutet bereits darauf hin, dass die frühmorgendliche Bettflucht in der Regel älteren Menschen zugeschrieben wird.

Was es mit der sogenannten senilen Bettflucht tatsächlich auf sich hat, darüber streiten sich die Schlafforscher. Manche von ihnen sehen in dem frühen Erwachen eine ernste Form der Schlafstörung, andere bezeichnen sie als „altersdiskriminierenden Scherz“. Doch egal, wie wir das Phänomen betiteln, Tatsache ist: Im Alter werden viele von uns früher wach. Aber warum ist das so?

Von Eulen und Lerchen

Nicht jeder Mensch ist ein Frühaufsteher. Morgenmuffel bleiben auch bei Sonnenschein gerne etwas länger im Bett liegen. Forscher sprechen hier von verschiedenen Schlaftypen – in der Fachsprache nennt man sie auch Chronotypen (griechisch Χρόνος „Zeit“). Die einen sind morgens schnell fit, die anderen brauchen für ihre ersten zusammenhängenden Sätze meist etwas länger.

Biologische Uhr … wer tickt denn da?

Wann wir wach werden, bestimmt nicht nur der Wecker neben unserem Bett, sondern auch unsere innere Uhr – und zwar in jedem Alter. Gestellt wird diese Uhr durch ein komplexes Zusammenspiel aus Genen, Proteinen und Hormonen. Forscher sprechen in der Regel im Singular von unserem biologischen Uhrwerk. Stimmt aber nicht: Tatsächlich besitzt unser Körper mehrere Milliarden.

Jede Zelle hat einen eigenen Zeitmesser. Damit kein Chaos unter ihnen herrscht, tauschen sie sich miteinander aus. Der Dirigent des Ganzen ist der sogenannte suprachiasmatische Nucleus (SCN). Er ist nicht größer als eine Erbse, orchestriert das Zusammenspiel der Zell-Uhren und sorgt dafür, dass sich der Körper auf die Schlafphase vorbereitet. Der SCN sitzt in unserem Gehirn direkt dort, wo sich die Sehnerven kreuzen.

Aus gutem Grund: Den größten Einfluss auf den Mini-Dirigenten haben Helligkeit und Dunkelheit. Geht die Sonne unter, sorgt unser Dirigent dafür, dass der Körper Hormone produziert, die uns müde machen. Der Blutdruck sinkt, die Körpertemperatur geht nach unten und der Atem wird flacher. Für die Zellen heißt das: Ruhen und Regenerieren.

Unseren physiologischen Tiefpunkt haben wir übrigens meistens zwischen drei und vier Uhr morgens.

Sehen wir Licht, wird der SCN durch die Lichtrezeptoren unseres Auges stimuliert und die Nervenbahnen leiten die Information an unsere Zellen und Organe weiter. Die Botschaft: Es ist Zeit, aktiv zu werden – und genau hier liegt das Problem.

Warum ändert das Älterwerden den Takt?

Etwa die Hälfte der über 60-Jährigen hat Schlafprobleme. Viele schlafen unruhig, drehen sich nachts von einer Seite auf die andere oder werden bereits vor dem Morgengrauen wach. Ein Grund hierfür ist, dass sich im Alter die Mechanik des Uhrwerks verstellt und dass sich der Anteil des Tiefschlafes verringert. Die Konsequenz: Wir schlafen wie die Prinzessin auf der Erbse und schon der nächtliche Toilettengang des Partners kann uns wecken.

Forscher der Universität Basel und Zürich vermuten zudem, dass sich im Alter der Hormonhaushalt verändert und der Körper beispielsweise weniger des Schlafhormons Melatonin produziert.

Verrückte Hormone

In der Pubertät ändert sich der Hormonhaushalt. Ein Grund, weshalb Jugendliche morgens gerne länger schlafen und abends länger wach bleiben. Mit etwa 25 normalisiert sich der Schlafrhythmus wieder.

Welche anderen Gründe gibt es für das frühe Wachwerden?

Dass jemand morgens nicht mehr schlafen kann und früher wach wird, als er will, hängt jedoch nicht zwangsläufig mit seiner inneren Uhr zusammen.

Andere Gründe können sein: Ein zu langes Nickerchen nach dem Mittagessen, zu wenig Bewegung oder das Schnarchen des Partners. Ein Frühes Erwachen und andere Schlafprobleme können auch Begleitsymptome einer Krankheit (beispielsweise Demenz, Depression oder Parkinson) oder die Nebenwirkung eines Medikaments sein. Ebenso kann eine vergrößerte Prostata auf die Blase drücken und den Schlaf unruhig machen – das gleiche gilt für Inkontinenz.

Krankheitsbedingte Schlafstörungen sollten wir nicht auf die leichte Schulter nehmen. Damit sich der Körper regeneriert, muss der Mensch zwischendurch schlafen. Dauerhafte Schlafstörungen können die bestehende Krankheit verstärken und den Abbau körperlicher Leistungsfähigkeit beschleunigen.

Tipps zum Einschlafen …

Umprogrammieren lässt sich unsere innere Uhr nicht – aber wir können sie überlisten. Was helfen kann:

  • Trotz Müdigkeit auf den Mittagsschlaf verzichten
  • Erst ins Bett gehen, wenn man wirklich müde ist
  • Bewegung – am besten Gymnastik oder ein Spaziergang
  • Eine Tasse Tee trinken – nur Achtung: weder grünen noch schwarzen
  • Vor dem Einschlafen keinen Alkohol trinken

Wenn das alles nichts bringt, spricht man am besten mit seinem Arzt. Unseren kleinen Zell-Dirigenten mithilfe von Schlaftabletten ruhigzustellen, hilft auf Dauer nichts.