Entspannter aufwachen: Eine Schlaf-App im Test

Entspannter Aufwachen – eine Schlaf-App im Test

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Schlaf-Apps für das Smartphone sollen beim Einschlafen helfen, Schlafstörungen lindern und das Aufwachen erleichtern. Wissenschaftliche Studien, die die Wirksamkeit solcher Anwendungen belegen, existieren allerdings keine. Unsere Redakteurin hat eine der Apps getestet und Wissenschaftler nach ihrer Meinung gefragt.

„Warnung: Sehr wenig Bewegungen“ steht in meinem Schlafprofil. Dazu gibt es einen langen, geraden Strich. Wäre das ein EKG, wäre ich jetzt wohl tot. Uff! Am Abend zuvor hatte ich die App Sleep Cycle auf mein Handy geladen. Vor dem Einschlafen sollte ich mein Smartphone dann mit dem Display nach unten auf die Matratze neben mein Kopfkissen legen. Das war mir irgendwie zu nah, also deponierte ich es ein Kopfkissen weiter. Das war wohl zu weit weg. Mein Fehler.

Die Schlaf-App vermisst den Schlaf und verspricht, wovon viele bislang nur träumen: Wach zu werden, ohne müde zu sein. Und zwar, indem der Wecker dann klingelt, wenn man sich in einer Leichtschlafphase befindet. Rund 500.000 Mal wurde das Programm bereits heruntergeladen. 2010 landete es auf Platz eins der meistverkauften Apps Deutschland. 2016 nahm Apple Sleep Cycle in die Liste der besten Apps im AppStore auf. An der App muss also etwas dran sein.

Die App misst nicht den Schlaf, sondern die Bewegungen

In der nächsten Nacht halte ich mich an die Vorgabe und es funktioniert: Am nächsten Morgen spuckt Sleep Cycle die erste Schlafstatistik aus. Das Diagramm, dass meine Schlafkurve anzeigt, schlägt aus, zeigt wellenförmige Bewegungen. Immer wieder gibt es kleine Peaks – die stärksten Ausschläge um halb eins und kurz vor drei, da war ich wohl etwas unruhig.

„Oder kurz vorm Träumen“, erklärt Jürgen Zulley, Schlafforscher und ehemaliger Leiter des Schlaflabors am Universitäts- und Bezirksklinikum Regensburg (jetzt: Universitäres Schlafmedizinisches Zentrum Regensburg-Donaustauf (USMZ)). „Alle 90 Minuten durchlaufen wir im Schlaf sogenannte REM-Phasen“, so Zulley. REM steht für Rapid Eye Movement und bedeutet übersetzt so viel wie „schnelles Augenrollen“. Es sind die Schlafphasen, in denen wir besonders viel und intensiv träumen. „Kurz bevor die REM-Phase beginnt und kurz bevor sie endet, bewegen wir uns in der Regel noch einmal“, sagt Zulley. Interessant.

Doch woher weiß ich, dass das, was die App aus den erfassten Daten ableitet, wirklich stimmt? Ich schlafe ja schließlich und kann die Angaben nicht überprüfen. „Tatsächlich gibt es hierzu bislang keine repräsentativen Studien“, gibt der Schlafforscher zu bedenken. Er und sein Team haben die App deshalb im Schlaflabor getestet und die Ergebnisse mit den Aufzeichnungen aus der Schlaf-Registrierung verglichen. „Die Messungen der App waren zwar nicht falsch“, sagt Zulley, „doch um einiges gröber als die des Schlaf-EEG.“ Repräsentativ war dieser Versuch allerdings nicht.

Ich bin ein bisschen enttäuscht und schaue mir mein Schlafprofil nun etwas genauer an. Wie steht es denn um meine Schlafqualität? Die liegt laut App bei rund 68 Prozent, die Zeit im Bett betrug 6,3 Stunden. Aber warum „Zeit im Bett“? Sollte an dieser Stelle nicht „Schlaf“ stehen?

Bumms weht die nächste Enttäuschung ins Haus: Tatsächlich misst die App nicht das gesamte Schlafverhalten, sondern nur meine Bewegungen während des Schlafs. Ob ich mich gerade im Tiefschlaf befinde oder einfach ruhig vor mich hin grüble, kann Sleep Cycle nicht erkennen.

Menschen mit Schlafstörungen sollten sich nicht mit ihrem Schlaf befassen

Ich bin frustriert. Und das Aufwachen? Die App verspricht, dass sie mich – in einem zuvor definierten Zeitfenster von 30 Minuten – in einem günstigen Moment weckt, also wenn ich eher leicht schlafe. Das war bei mir um 6.19 Uhr. Wirklich fit und ausgeruht fühlte ich mich da allerdings nicht …

„Dass Sleep Cycle zum richtigen Zeitpunkt wecken kann“, sagt Thomas Penzel von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), „ist wissenschaftlich nicht erwiesen.“ Tatsächlich gibt es keine Belege, wann für uns der optimale Zeitpunkt ist, geweckt zu werden. „Dazu brauchen wir evidenzbasierte Studien“, so Penzel, „und die fehlen bislang.“

Menschen mit Schlafstörungen könnte Sleep Cycle dennoch helfen. „Beispielsweise, indem die App Betroffenen zeigt, dass sie in der Nacht doch ein paar Stunden geschlafen haben“, sagt Zulley, „die Daten sind wie gesagt grob, aber nicht falsch.“ Insgesamt rät er Menschen mit Schlafstörungen jedoch, sich nicht allzu viel mit ihrem Schlaf zu beschäftigen. Denn je mehr man sich mit seiner Schlafstörung auseinandersetzt, desto stärker spukt sie einem vor dem Einschlafen im Kopf herum.

Ich für meinen Teil deponiere mein Smartphone zukünftig wieder mit einem gehörigen Sicherheitsabstand zu meinem Bett.