Orthopädieschuhmacher behandeln nicht nur Plattfüße. Zu ihren Kunden gehören Diabetiker, Rheuma-Patienten und Gicht-Erkrankte. Sie alle brauchen maßgeschneiderte Schuhe oder Einlagen. Entsprechend gut sind die Beschäftigungsaussichten.
Die richtige Haltung beginnt in den Füßen. Sie sind das Fundament, auf dem der Körper steht. Fehlstellungen im Fuß können von den Knien, über die Hüften bis zum Rücken den gesamten Bewegungsapparat beeinflussen. Das führt zu Haltungsproblemen und Schmerzen. Dagegen hilft passendes Schuhwerk. An dieser Stelle beginnt der Job des Orthopädieschuhmachers. Anders als es die Berufsbezeichnung suggeriert, stellen sie nicht nur Schuhe her. Sie konstruieren Einlagen oder bearbeiten die Sohlen bestehender Schuhe. Auch die Schuhkappen werden bei Bedarf verstärkt.
In dem Job braucht es viel handwerkliches Geschick. Außerdem ist ein gutes Augenmaß von Vorteil. “Wir arbeiten an vielen Stellen frei”, erklärt Damiano Schilardi. Er macht eine Ausbildung zum Orthopädieschuhmacher und ist gerade am Ende des ersten Lehrjahres. Die Ausbildung dauert im Regelfall dreieinhalb Jahre. “Die Jugendlichen lernen nicht nur das Handwerk, sondern medizinische und anatomische Grundlagen”, erklärt Werner Dierolf, Orthopädieschuhmachermeister aus Obersontheim in Baden-Württemberg und Schilardis Ausbilder.
Studium Technische Orthopädie
Wer Praxis und akademisches Wissen verbinden will, kann an der Fachhochschule Münster am Standort Steinfurt in acht Semestern Regelstudienzeit eine duales Studium Technische Orthopädie machen. Voraussetzung dafür ist die Fachhochschulreife. Mit abgeschlossener erster Ausbildung und Fachhochschulreife ist alternativ ein Vollzeit-Studium in sechs Semestern möglich. Abschluss ist jeweils ein Bachelor of Engineering (B. Eng.). Absolventen können nicht nur in der Orthopädieschuhtechnik arbeiten, sondern auch in Wirtschaft und Forschung. Nähere Informationen zur Berufsausbildung gibt es bei der Bundesagentur für Arbeit oder beim Bundesinstitut für Berufsbildung.
Funktion kommt vor Form
Schilardis Wurzeln liegen in der süditalienischen Region Apulien. Dort kommt sein Großvater her, ein gelernter Modeschuhmacher. Der Beruf des Opas war letztlich der Auslöser für den Berufswunsch des Enkels. “Man kann schon sagen: Ich bin familiär vorbelastet”, sagt der 25-Jährige und lacht.
Beim Gestalten der Schuhe hat Schilardi nicht so viele Freiheiten wie sein Großvater. Die Beschwerden des Kunden geben den Rahmen vor. Beim diabetischen Fuß fällt die Bettung des Schuhs dicker aus, damit er viel Schutz und Dämpfung hat. Dadurch wird der Schuh voluminöser. Neben den medizinisch notwendigen Applikationen einen schönen Schuh herzustellen, ist mit gutem Design zwar möglich, aber herausfordernd.
Gestalterisch mehr geht bei nur gering ausgeprägten Senk- oder Knickfüßen. “Da ist der Spielraum größer”, erläutert Schilardi. Grundsätzlich ist die Funktion jedoch deutlich wichtiger als das Aussehen. Von Vorteil ist es dennoch, wenn sie gut aussehen: “Der modische Touch bei orthopädischen Schuhen wird wichtiger”, sagt Christiane Reuter vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB).
Einlagen aus dem 3D-Drucker
Die Herstellung eines orthopädischen Schuhs ist ein komplexer Prozess: Der Fuß wird untersucht und gemessen, seine Form mit einem Abdruck erfasst. Daraus wird dann der sogenannte Leisten hergestellt. Er ist das Fundament, um das der Schuh aufgebaut wird. Er besteht meist aus Holz oder Kunststoff. “Auf Basis des Leisten wird ein Probeschuh hergestellt”, sagt Dierolf, der außerdem Präsident des Zentralverbands Orthopädieschuhtechnik (ZVOS) ist. Den probiert der Kunde an, danach werden letzte Korrekturen vorgenommen. Erst danach produziert der Orthopädieschuhmacher den maßgefertigten Schuh. Der gesamte Arbeitsprozess dauert rund 20 Stunden.
Ein orthopädischer Maßschuh hat deshalb seinen Preis: “Im Schnitt etwa 1000 Euro”, sagt Dierolf. Immerhin: Meist gibt es die Schuhe auf Rezept. Der Maßschuh sei zwar immer noch das Herzstück des Handwerks, erklärt Reuter vom BIBB. Inzwischen rüsten die Fachkräfte jedoch auch häufiger als früher Konfektionsschuhe mit orthopädischen Maßnahmen auf.
Außerdem verändert technischer Fortschritt den Job. Schon jetzt erstellen sie 2D- und 3D-Scans von Füßen, machen digitale Ganganalysen, gestalten Modelle mit der Software CAD und lassen sie mit CNC-Fräsen bearbeiten. Selbst Schuhe aus dem 3D-Drucker sind inzwischen keine Utopie mehr. “Das wird ein Thema werden”, beobachtet BIBB-Expertin Reuter. Im Moment ist das aber noch Zukunftsmusik.
Ein Job mit Zukunft
Orthopädieschuhmacher haben gute Zukunftsaussichten. “Krankheitsbilder wie Rheuma, Diabetes, Gicht nehmen zu, der Bedarf nach passenden Schuhen damit auch”, sagt Dierolf. Auch Sportler suchen heute nach optimierten Schuhen und kommen dafür immer häufiger in die Läden der Orthopädieschuhmacher.
Deutschlandweit lernen aktuell laut ZVOS rund 850 Azubis in den 2500 Betrieben den Beruf, über ein Drittel von ihnen ist weiblich. Sie bekommen laut Bundesagentur für Arbeit rund 440 Euro Vergütung im ersten Lehrjahr. Diese steigert sich bis zum vierten Lehrjahr auf 641 Euro. Rund 100 Gesellen legen jedes Jahr die Meisterprüfung ab.
Von Tom Nebe (dpa)