„Nein sagen können Sie immer noch“

© Medizinische Universitätsklinik Heidelberg

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Für viele ist der Arzt ein Halbgott in Weiß. Professorin Jana Jünger, Oberärztin und Leiterin des Kompetenzzentrums für Prüfungen in der Medizin an der Universität Heidelberg, weiß: Als Patienten können wir einiges tun, damit das Gespräch mit dem Arzt und die anschließende Behandlung erfolgreich verlaufen.

Redaktion: Bereiten Sie sich auf Ihren eigenen Arztbesuch vor?

Jana Jünger: Na klar. Wenn ich zum Arzt gehe, überlege ich mir, was genau mein Anliegen ist und welche Unterlagen ich mitnehmen muss.

Was muss ein Patient denn Wichtiges mitbringen?

Möchte ich vor einer Reise in die Tropen meine Impfung auffrischen, braucht der Arzt meinen Impfpass. Nur so kann er sehen, welche Impfung erneuert werden muss. Ein anderes Problem könnte sein, dass ich ein neues Arzneimittel nicht vertrage. Da ist es wichtig, dass ich vorbereitet bin und meinem Arzt genau sagen kann, welche Medikamente ich regelmäßig einnehme.

Aber wenn ich achtzig bin und mir die ganzen Namen nicht merken kann?

Dann habe ich am besten meinen Medikamentenplan dabei oder nehme die Schachteln einfach mit. Gut vorbereitet bleibt mehr Zeit für die wichtigen Themen.

Checkliste für den Arztbesuch

Damit Sie bei dem Gespräch mit ihrem Arzt nichts vergessen, hat der Faktencheck Gesundheit der Bertelsmann Stiftung eine Checkliste entwickelt. Sie hilft Ihnen, dabei sich richtig auf Ihren Termin vorzubereiten.

Nachfragen, bis es verstanden ist

Mein Arzt sieht am Tag bis zu vierzig Patienten. Der hat keine Zeit für meine Fragen.

Fordern Sie die Zeit trotzdem ein.

Und wie? Ich kann ja nicht einfach sitzen bleiben, wenn er mich verabschiedet.

Nein, aber Sie können ihm sagen, dass Ihnen das Gespräch gerade zu schnell geht. Und dass Sie Sorge haben, etwas Wichtiges nicht mitbekommen zu haben. Wenn Sie etwas nicht verstehen, müssen Sie nachfragen – gerne auch dreimal. Im Zweifel bitten Sie Ihren Arzt um einen anderen Termin mit mehr Zeit.

Wie detailliert soll ich gesundheitliche Beschwerden eigentlich erklären?

Hilfreich ist, wenn Sie mit dem beginnen, was Sie am meisten beunruhigt. Wenn Sie Bauchschmerzen haben, ist es gut dem Arzt mitzuteilen, wann diese auftreten, was sie verschlimmert oder verbessert. Benötigt der Arzt weitere Details für die Einordnung der Beschwerden, wird er nachfragen.

Woher weiß ich als Patient, was eine wichtige und was eine unwichtige Information ist?

Für den Arzt sind erst einmal alle Dinge, die Sie berichten, interessant. Die Wichtigkeit oder Unwichtigkeit ergibt sich durch den Kontext und im Gespräch. Die Einordung der Informationen ist Aufgabe des Arztes.

Mit dem Arzt gemeinsam entscheiden

Darf ich meinem Arzt widersprechen?

Natürlich, es kommt allerdings wie bei jedem Gespräch auf die Art und Weise an.

Sagen wir, ich habe etwas gegen Tabletten und mein Arzt verordnet mir Antidepressiva.

Fragen Sie nach, warum Sie ein Medikament verordnet bekommen. Oft gibt es auch Alternativen – beispielsweise eine Psychotherapie. Fragen Sie Ihren Arzt, ob er Ihnen Nutzen und Schaden der verschiedenen Verfahren erklären kann. Anschließend können Sie gemeinsam entscheiden, was für Sie der beste Weg ist.

Und wie gehe ich mit dem Angebot einer IGEL-Leistung um?

IGEL-Leistungen sind nicht prinzipiell schlecht. Sie sind aber auch nicht automatisch notwendig.

Beschwerden ansprechen, auch wenn sie peinlich sind

Wie soll ich mich verhalten, wenn ich trotzdem unsicher bin?

Fragen Sie Ihren Arzt einfach, warum er Ihnen ein Bleaching oder eine Ultraschalluntersuchung empfiehlt. Dann bedanken Sie sich für seinen Rat und überlegen es sich zu Hause. Ja oder Nein sagen können Sie dann immer noch.

Und wenn mir etwas unangenehm ist – weil ich etwa Pusteln im Intimbereich habe –, wie spreche ich so etwas an?

Über schambesetzte Dinge zu reden, fällt niemandem leicht – gerade, wenn man den Arzt nicht so gut kennt. Hilfreich ist es, die Scham direkt anzusprechen. Sagen Sie beispielsweise: „Ich habe ein Problem, über das ich schwer reden kann.“ Das ist ein klares Signal für den Arzt, dass er besonders aufmerksam und achtsam zuhören sollte. Glauben Sie mir, es gibt nichts, wofür Sie sich bei einem Arzt schämen müssen.

 

Hinweis:

Seit dem April 2016 ist Frau Professor Dr. Jana Jünger Direktorin des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) in Mainz.